Die Kinder von Blankenese
Die Kinder von Blankenese
„Raymond Ley schlägt eine unbekannte Seite im Buch der Geschichte des Nationalsozialismus und seiner Folgen auf. Die Kinder von Blankense folgt einer Gruppe jüdischer Waisenkinder, die aus dem Lager Bergen-Belsen kommend, in einer Villa an der Elbe wieder ins Leben zurückfinden. Ihr Aufenthalt in der 1938 von den Nazis „arisierten“ Residenz der Familie Warburg ist nur vorübergehend. Sie alle träumen von Palästina und werden von den Erziehern eingeschworen auf das Gelobte Land – doch die Gründung des Staates Israel ist noch nicht vollzogen. So ist es ein Hoffen & Bangen zwischen nächtlichen Alpträumen und ersten Küssen, zwischen öffentlichen Anfeindungen durch die Deutschen und dem Hass der Kinder auf die Nation der Schlächter, die ihre Eltern in die Gaskammern schickten.
Die Kinder von Blankenese ist ein vorbildliches Doku-Drama. Es erzählt eine vermeintliche Fußnote der deutsch-jüdischen Geschichte, es erzählt sie so genau und erfüllt sie so sehr mit Leben, dass dieser Film eine große Wahrhaftigkeit atmet und zugleich an einige politische Ungereimtheiten aus jenen Jahren erinnert: den tief sitzenden deutschen Antisemitismus, die rabiate Palästina-Politik der Engländer, das Unverständnis, das den europäischen Juden in Israel entgegenschlug. Ley illustriert Geschichte nicht, sondern er erzählt sie. Sein Mikrokosmos strahlt aus in die Weltpolitik. Dabei behilflich sind ihm die noch Lebenden derer, die sich im Frühjahr 1945 in der Villa in Blankenese begegneten: die amerikanische Erzieherin Betty Adler, der Lehrer Ben Yehuda oder Reuma Schwarz, das Mädchen für alles. Dazu gesellen sich Kinder von damals. Interessante Menschen, gute Erzähler, Persönlichkeiten.
„Die Stärke dieses Doku-Dramas liegt in der klaren, fließenden und nicht auf Effekte setzenden Vernetzung der dominierenden Spielszenen mit den Interview-Passagen. Die große Ausstrahlung der Zeitzeugen schlägt wunderbar auf die Figuren durch. Was ihnen an narrativer Geschichte mitgegeben wird, muss Doku-Drama-gemäß bruchstückhaft bleiben. Das Leben, in Gestalt der realen Personen, haucht den Figuren Geschichte ein. Auch die Schauspieler überzeugen: da sind die „Kinder“ Rosa Lenz, Neel Fehler oder Willi Gerk, die ihre kleinen Rollen zu runden Charakteren ausbauen. Und da sind die Erwachsenen, Harald Schrott, markant wie gewohnt, Hannah Schröder und Jennifer Ulrich als die guten Seelen der Villa und da ist Alice Dwyer, die sich einmal frei spielen kann von ihrem Vamp-Image – mit retardierenden Blicken, in denen sich Unsicherheit & amerikanischer Pragmatismus gleichsam spiegeln. Die Kinder von Blankenese ist ein eindringlicher, sehr berührender Film, der auf künstliche Emotionalisierung verzichtet und dessen Gefühle allein den Situationen entspringen.
Text: Rainer Tittelbach, mit freundlicher Genehmigung
www.tittelbach.tv
Hänsel und Gretel
Märchenhaft aufregend, wunderbar dicht, bezaubernd gespielt,
magisch, verführerisch, berührend – so lautet der Fazit von Volker Tittelbach zu diesem Film aus der ARD-Märchenfilmreihe „Sechs auf einem Streich“, die zu Weihnachten ein fester Bestandteil des ARD-Programms ist.
„Uwe Jansons Märchenverfilmung ist einer der Höhepunkte der ARD-Reihe „Sechs auf einen Streich. Vom Düster-Look geht es kurzzeitig ins vermeintliche Paradies, dann obsiegt das Schreckliche, bevor ein geradezu magisches, bezauberndes Wohlfühlende große und kleine Zuschauer gleichermaßen glücklich aus dem Film entlässt. Dramaturgisch liefert der „Hänsel-und-Gretel“-Mythos den Stoff für eine perfekte universale Erzählung. Was diese Version dem Klassiker hinzufügt, ist eine verführerische, bildgewaltige Optik. Mit Special Effects deckt sich ein Tischlein selbst oder verfärbt sich des Vaters Gesicht; auch haben sich die Macher in der Farbgebung (fast schwarzweiß bis kunterbunt) von „Wizard of Oz“ inspirieren lassen, und im Zauberreich der Hexe sieht es zwischendurch ein bisschen aus wie in „Charlie und die Schokoladenfabrik“. Diese „Hänsel-und-Gretel“-Verfilmung ist zeitgemäß, ohne sich beim Hollywoodkino anzubiedern.
„Wir müssen die Kinder loswerden“, sagt die Stiefmutter. Schweren Herzens stimmt der Vater zu – und so lassen die beiden Hänsel und Gretel eines Tages im Wald allein. Der Junge hat die Eltern belauscht, aber wie die Menschen haben auch die Raben Hunger, und sie fressen die Brotkrumen, mit der Hänsel eine Spur gelegt hatte. So können er und seine Schwester nicht mehr nach Hause finden und verirren sich im Wald. Sie sind mutlos – doch plötzlich gehen ihnen die Augen über und ihre Mägen schlagen Purzelbäume. Ein Häuschen aus Lebkuchen, Schokolade und Marzipan steht vor ihnen. „Knusper, knusper, Knäuschen, wer knuspert an meinem Häuschen?“ Eine merkwürdige Frau lädt die Kinder in ihr Reich und zaubert einen Tisch voller Leckereien. Am nächsten Morgen weht ein anderer Wind. Das Schlaraffenland entpuppt sich als das Häuschen einer grausamen Hexe, die Hänsel in ein Verlies sperrt, ihn mästet, um ihn möglichst bald zu verspeisen, und die Gretel mit einem Fluch belegt. Gut, dass sich der Vater eines Besseren besonnen hat und sich auf die Suche nach den Kindern macht. Dabei trifft er auf die schöne Waldfee Marie, die die Hexe aus einem früheren Leben kennt.
„Hänsel und Gretel“ ist eines der am häufigsten verfilmten Grimmschen Märchen. Das hat gute Gründe: während sich Kinder von Hänsel und Gretel quasi an die Hand nehmen lassen können, macht das Spiel mit Verführung, Verlockung & Verstellung dieses Schauermärchen auch für Erwachsene interessant. Die Geschichte bietet ein breites Gefühlsspektrum mit hohem Empathiepotenzial. Anja Kling ist bizarr und böse als Hexe und schön als Waldfee. Der bösen eine liebenswerte „Hexe“ gegenüberzustellen, ist ebenso eine kluge Drehbuchidee wie, die Hexe zu einer einst verletzten Kinderseele zu machen. Sehr überzeugend sind die beiden Kinderdarsteller Friedrich Heine und Mila Böhning, die zum visuellen Konzept des Films entsprechend eine große Klarheit im mimischen Ausdruck besitzen.
Fazit: märchenhaft aufregend, wunderbar dicht, bezaubernd gespielt,
magisch, verführerisch, berührend.
Text: Rainer Tittelbach, mit freundlicher Genehmigung
www.tittelbach.tv
Rennschwein Rudi Rüssel
Rennschwein Rudi Rüssel – Die Serie
Vom ersten bis zur dritten (und letzten) Staffel drehte ich insgesamt 19 Folgen dieser vergnüglichen Kinderserie, die Geschichten um das „schnellste Schwein der Welt“, bekannt aus dem Kinderroman von Uwe Timm und zwei Spielfilmen weitererzählte. Das Budget erlaubte nicht den Einsatz von Animatronics oder Computeranimation – alle Szenen mit dem Schwein sind live gedreht. Um die „Handlungen“ von Rudi darzustellen konnten wir nur auf „old school“-Methoden zurückgreifen – geschickte Kamerastandpunkte, raffinierte Auflösung und Schnitt und sehr viel Geduld. Was nicht immer einfach ist, wenn man gleichzeitig in fast jeder Szene Kinderschauspieler dabei hat, die einer sehr strengen Arbeitszeitregelung unterliegen, und man pro 30-Minunten-Folge mit 6 Drehtagen auskommen muss.
Der Schlüssel um Erfolg heißt gute Vorbereitung. Es ist zwar immer ratsam, vor Drehbeginn möglichst viel von dem, was man vor hat mit dem Regisseur möglichst genau abzusprechen, aber wenn Kinder und Tiere dabei sind ist es unbedingt notwendig. Regisseur Rolf Wellingerhof sieht das genauso, und wir konnten uns in der Vorbereitung die Zeit nehmen, alle Szenen im Vorfeld aufzulösen, meistens am Motiv, und dadurch am Drehtag sehr effizient vorgehen und die Drehreihenfolge der einzelnen Einstellungen auf die Bedürfnisse der Kinderschauspieler und der Tiertrainer abstimmen, ohne zu befürchten, dass am Ende eine entscheidende Einstellung fehlt, oder auf inszenatorische oder optische Schmankerl aus Zeitmangel zu verzichten.
So war die Atmosphäre am Set sehr entspannt und harmonisch, und ich werde diese drei Sommer im Bergischen Land immer in guter Erinnerung behalten.
Eine von mir gedrehte Folge gewann 2008 einen „Emil“, den renommierten „Preis für gutes Kinderfernsehen“ von TV Spielfilm.
Hier die Begründung der Jury:
„Eine Großmutter, die leckere Reibekuchen backt, ein Opa, der immer eine Lösung weiß, ein stets gut gelaunter Papa – bei „Rennschwein Rudi Rüssel“ herrscht eine nahezu märchenhafte Idylle im Bergischen Land, die einlädt, sich zurückzulehnen und entspannt unterhalten zu lassen.
„Die Szenerie ist toll fotografiert, sympathische Figuren nehmen den Zuschauer mit auf eine vergnügliche Reise. Allen voran der zehnjährige Fritz (gespielt von Jasper Smets), der mit seinem Vater und seinem geliebten Ferkel Rudi bei Oma und Opa auf dem Land wohnt. In dem türkischen Mädchen Ayla findet er eine Freundin, mit der er allerhand Abenteuer erlebt. Klar gibt es auch Streit und Missverständnisse, aber am Ende geht eben alles gut aus. Das schafft Vertrauen und lässt den kleinen Zuschauer für einen Augenblick Schulstress und anderen Ärger vergessen.
„In der Folge „Das große Rennen“ organisieren Fritz und Ayla ein Wettrennen aller Haustiere aus dem Dorf. Nicht alle Kinder sind sich grün, im Gegenteil, Konkurrenzkampf ist zu spüren. Aber nach einem turbulenten Showdown siegen nicht nur das schnellste Schwein der Welt und sein Besitzer, sondern auch die Freundschaft. Es gibt keine beschämten Verlierer, keine überheblichen Gewinner. Alles endet in einem freudigen Miteinander – so werden ganz nebenbei Werte wie Respekt und Großmut transportiert. Das macht „Rennschwein Rudi Rüssel“ zum saustarken Fernsehen für die ganze Familie.“
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